Tür auf!

Es ist Mittwoch. Die Woche ist auf ihrem Höhepunkt: Wäschekörbe im Flur, Kinderspielzeug überall, in der Küche stehen noch die Reste vom Frühstück – bei Euch ist es bestimmt nicht so, aber bei mir. Ich genieße gerade ein paar Minuten Ruhe. Mein Mann bringt die Kinder in Schule und Kindergarten. Ich gucke bei Facebook, was es Neues gibt und plane den Tag. Viel steht an, wie immer. Ich überlege noch, wie ich das alles schaffen soll und womit ich anfange, da klingelt es. Ich öffne die Tür:

Da steht Jesus!

Upps, Jesus, du bist aber zu früh. Ich hab dich noch gar nicht erwartet. Es ist doch noch gar nicht Weihnachten. Ich hab noch gar nicht alles fertig und hier ist das reinste Chaos!

Jesus fragt, ob er trotzdem reinkommen darf.

Na egal, komm erst mal rein. Kaffee gibt’s auf jeden Fall und gekaufte Spekulatius gibt es auch – die hat ja auch mal jemand selbst gebacken. Hier in einer Fabrik in der Nähe …

Ich rede um meine Nervosität zu verbergen, und versuche nebenbei die Arbeitsplatte frei zu räumen und den Tisch abzuwischen. Jesus setzt sich hin und guckt mich an. Er hört zu. Ich rede von allem, was heute und morgen und die nächsten Wochen noch so anliegt. Alle Jahre wieder und dass ich gar nicht weiß, was ich noch sagen soll in Andachten in Frauengruppe und Seniorenkreis. Die Leute wissen doch alle, was Weihnachten passiert. Gott kommt – alles klar. Doch bevor er kommen kann, müssen wir erst mal alles fertig machen. Putzen, Dekorieren, einkaufen, backen und kochen, Karten schreiben, Geschenke kaufen und einpacken. Zum Glück gibt es das Internet, da kann man dann auch nachts noch shoppen.

Und dann kommt die ganze Familie zu Weihnachten … naja lassen wir das Thema.

Ich rede und rede und Jesus hört zu.

Als ich eine Pause mache und mich zu ihm setze sagt Jesus, gut, dass ich jetzt schon da bin, dann kann ich Dir ja helfen.

Ok, sage ich – wo fangen wir an? Küche oder Wäsche oder die Predigt für Heiligabend?

Jesus steht auf und öffnet die Tür. Hat es schon wieder geklingelt? Ich habe gar nichts gehört.

Nein, sagt Jesus, wir öffnen die Tür um rauszugehen.

Wir öffnen die Tür und gehen in meinen Alltag. Es ist keine andere Welt, die mich erwartet. Keine Urlaubsreise in eine schöne europäische Stadt, sondern es ist Mittwoch. Und ich tue das, was ich Mittwochs immer mache – mit Jesus an meiner Seite. Ich bin irgendwie ruhiger, zuversichtlich, dass ich alles schaffe, was ich mir vorgenommen habe. Ich versuche den Menschen, die ich treffe richtig zuzuhören und bin bei dem was ich gerade mache und nicht schon einen Schritt weiter. Ich rede immer wieder mit Jesus, aber ich vergesse auch zwischendurch, dass er noch neben mir geht. Einmal mache ich ihm fast die Autotür vor der Nase zu. Jesus geht mit zu dem Besuch, den ich mache, er geht mit einkaufen und mit ins café mittendrin. Nachmittags spielen wir eine Runde mit den Kindern. Er ist dabei wenn wir über den Tag reden und Hausaufgaben machen und Flöte üben. Er ist dabei, wenn wir uns streiten und wieder vertragen. Wir räumen auf. Wir besprechen die schönen und nicht so schönen Dinge und überlegen, was zu Weihnachten wirklich wichtig ist. Er ist dabei, wenn wir die Kinder ins Bett bringen und sie segnen.

Abends gucken wir Nachrichten und Jesus sitzt auf der Couch und weint. Er weint über den Krieg in Syrien und über die Menschen, die auf ihrer Flucht ertrinken. Er weint über die Menschen, die unter Ebola leiden und die Europäer, die froh sind, dass Afrika so weit weg ist. Er weint über die Leute die in diesen Tagen bei Versandhäusern arbeiten müssen und dort ausgebeutet werden. Er weint über die Kinder in Deutschland, die morgens ohne Schulbrot in die Schule gehen müssen und er weint über die Christen, die in ihren Kirchen sitzen und darauf warten, dass die Menschen zu ihnen kommen. Ich sitze daneben und fühle mich so hilflos. Dann frage ich Jesus, was ich denn machen kann. Er redet von Türen und Toren, die sich öffnen sollen für den Herrn der Herren, für den König der Könige, für den der Gerechtigkeit bringt und nahe sein will. Er redet von seinem Namen. In der Bibel stehen viele Namen für Jesus – einer ist Immanuel. Immanuel heißt Gott mit uns. Wenn die Menschen das verstehen würden, würden sie die Tür öffnen. Für mich, für ihren Nächsten. Sie würden lernen nicht alles alleine zu machen, sondern mit mir durch ihren Alltag gehen. Sie würden die Welt mit meinen Augen sehen, mitleiden und mitarbeiten etwas zu verändern.

Er redet und redet und nun höre ich zu.

Und dann muss Jesus los. Er geht zur nächsten Tür um dort zu klingeln, nahe zu sein und mitzugehen.

Ich bin sehr dankbar für diesen Tag. Er war so anders. Oft fühle ich mich alleine mit dem, was so anliegt und was mich beschäftigt. Es tat gut, Jesus an meiner Seite zu wissen. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass das Advent sein muss. Gott kommt. Gott geht mit. Dieser Tag war wie ein Blick in eine andere Welt. Wie eine Tür, die ich aufgemacht habe. Diese andere Welt führte mich zwar nicht in einen Urlaub. Doch sie führte mich in meinen Alltag, so wie Gott ihn sieht und wie er ihn mit mir gemeinsam gestalten will. Da muss nicht alles aufgeräumt sein, da darf es Streit und Unruhe geben. All das will Jesus miterleben, heilen und vergeben.

Das ist die gute Nachricht. Gott kommt in unsere Welt. Tür auf!

Ich lege mich hin und schlafe tief und fest. Morgens werde ich davon wach, dass es an der Tür klingelt. Ich öffne die Tür und Jesus ist da um mit mir zusammen in den Donnerstag zu gehen.

Predigt am 30.11.2014 zum 1. Advent – inspiriert durch das Buch: „Jesus klingelt“ von Susanne Niemeyer

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