Werd ich genügen?

In der letzten Woche habe ich es versäumt einer Person, die mir am Herzen liegt, dies auch zu zeigen und zu sagen und das, obwohl es ihr sehr schlecht ging. Das war keine böse Absicht – es ist im Trubel des Alltags weggerutscht.

Und heute wieder. Ich schreibe einer Mitarbeiterin eine Nachricht und frage, ob sie etwas erledigen kann. Eigentlich macht sie dieses Ehrenamt immer sehr selbstständig und nun ist es schon ein paar Wochen überfällig. Eine halbe Stunde später erfahre ich, dass sie im Krankenhaus liegt. Mist. Ich habe das nicht gewusst und trotzdem wünschte ich, ich könnte meine Mail rückgängig machen.

Bei anderen Menschen ist es mir in dieser Woche gelungen sie zu überraschen, für sie da zu sein und zuzuhören und doch bleibt da ein fader Beigeschmack. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht allen gerecht werden kann. Bin ich ganz bei der Familie fehlt diese Zeit an anderer Stelle. Bin ich bei geflüchteten Menschen, habe ich weniger Zeit für die Menschen innerhalb der Gemeinde. Meine Kraft reicht nicht für alle aus. Leider.

An solchen Tagen denke ich, dass ich nicht genüge, dass ich zu wenig tue oder an den falschen Stellen unterwegs bin. Dann wünsche ich mir manchmal einen Bürojob bei dem ich Mittags um 12 Uhr die Akten zumache, den Computer runterfahre und nach Hause gehen kann (aber wahrscheinlich stelle ich mir das auch nur so einfach vor).

Werd ich genügen? Diese Frage stellt sich auch meine große Tochter. Heute gab es Zeugnisse. In der zweiten Klasse ohne Noten, dafür mit viel Text. Sie ist eine super Schülerin und was das Beste ist: sie hat einfach Spaß am Lernen, beim Lesen und Rechnen. Es gab bis jetzt keinen Tag, wo sie nicht in die Schule wollte. Und doch ist da schon diese Aufregung und Unsicherheit vor diesem Stück Papier und die Angst nicht gut genug zu sein. Ich finde das schrecklich und ich möchte ihr gerne vorleben und zeigen, dass sie nicht mit dieser Angst durch das Leben gehen muss. Ich möchte ihr zeigen, dass sie geliebt ist, selbst wenn sie Fehler macht und nicht in allem perfekt ist. An vielen Stellen entdecke ich mich in ihr wieder. Und ich weiß, dass ich oft zuviel von ihr verlange, weil sie die Große ist, dass ich oft zu wenig Geduld mit ihr habe und sie das auch spürt. Gerade heute gab es auch wieder diese Situationen in denen wir aneinander geraten sind.

Werd ich genügen als Ehefrau, Mutter, Diakonin, Tochter, Schwester, Freundin …? Die Antwort auf die Frage: Manchmal ja und öfter nicht. Doch am Ende zählt, dass ich geliebt bin und dass ich liebe. Am Ende zählt, dass ich weiß, wo ich zu Hause bin. Ich wünsche mir, dass wir dieses Zuhause auch für unsere Große sein können und dass sie sich darauf verlässt, auch wenn das Gefühl ihr manchmal etwas anderes einreden möchte.

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Bildnachweis: Dwerner / photocase.de

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