Offenes Haus II

Donnerstag, 12.12.13

T. hat den ganzen Tag Termine und die Mädchen sind traurig, dass sie ihn noch nicht gesehen haben. Für sie ist es bis jetzt ein unbekannter Besuch, den sie nicht mal morgens wecken dürfen. (Das dürfen sie sonst, wenn Oma und Opa im Gästezimmer schlafen.)

Abends sitzen wir wieder im Wohnzimmer. T. holt ein Neues Testament aus der Tasche und möchte mit dem „Pastor“ reden. Er erzählt viel, man merkt an seiner Stimme, wo er bewegt ist und an zu Hause denkt. Als er von seinem toten Vater spricht, kommen ihm fast die Tränen. Mir auch. Bei seiner Ausbildung zum Altenpfleger denkt er an seine Eltern. Seine Mutter ist weit weg. Er kann nicht für sie da sein. Aber er ist für unsere alten, einsamen Menschen da. Er erzählt von einem iranischen Pastor, der ihn taufen wollte, damit er die Papiere sofort bekommt. T. sagt, Glaube ist eine Herzenssache und keine Papiersache. Seit drei Jahren wartet er auf Asyl. Er ist bei uns geduldet und kümmert sich um unsere Alten.

T. möchte wissen, was Christen über den Islam denken. Er weiß, was der Islam über Juden und Christen denkt und hat erlebt, dass es nicht immer stimmt. Er muss fliehen, weil er christliche Freunde hat. Sein sehnlichster Wunsch in Deutschland ist ein eigenes Zimmer, wo er machen kann, was er will und nicht von Landsleuten beobachtet wird. Er hat Angst um seine Familie. Glauben ist Privatsache, sagt T., und erzählt von den Mullas, die in seiner Heimatstadt das Leben kontrollieren.

Wir lernen von ihm. Abends im Bett beschließen wir, dass er Weihnachten gerne mit uns feiern kann, wenn er möchte.

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